Frühere Gemeinde | Sprengel Hildesheim-Göttingen, KK Hildesheim-Sarstedt | Patrozinium: Jakobus | KO: Calenberger KO von 1569

Orts- und Kirchengeschichte
Kirche, Ansicht von Südosten, nach 1945

Kirche, Ansicht von Südosten, nach 1945

Eine Urkunde Bf. Hartberts und des Hildesheimer Domkapitels aus dem Jahr 1204 nennt ein Haus iuxta capellam beati Iacobi, also neben der Kapelle des hl. Jakobus.1 Dies gilt als ältester Beleg der späteren Pfarrkirche der Hildesheimer Altstadt, die als Pilgerkapelle am Jakobsweg entstanden war. Im Jahr 1408 besaß der Kleriker Johannes Kerseber eine Pfründe an der capella s. Jacobi Hildesemensis2 (oder einen Anspruch darauf), 1456 bemühte sich Theodericus Langehans um die Nachfolge Arnolds de Gronow als Vikar am Martinsaltar in St. Jakobi.3 Insgesamt lassen sich folgende Altäre in vorref. Zeit in der Kirche belegen: St. Martin (1442, altar sancti Martini in der kerken sancti Jacobi in der parre sancti Andree4), St. Anna (1485) sowie der Altar der Dreifaltigkeit, St. Maria und St. Matthäus (1512).5 Im 15. Jh. gehörte auch ein Haus zu St. Jakobi (Sunte Jacobes hus, Domus sancti Jacobi), möglicherweise eine Herberge für Pilger, die beispielsweise auf dem Jakobsweg unterwegs waren.6 Zwei Bauinschriften mit den Jahreszahlen 1503 und 1510 verweisen auf den Neubau des Kirchengebäudes am Anfang des 16. Jh. Der Turm, „der erhabenste unter allen übrigen dieser Stadt“7, wie Joachim Barward Lauenstein 1735 formulierte, war 1514 vollendet, wie auf einer 1817 aus dem Turmknauf entnommenen Kupfertafel nachzulesen war.8 Nachdem der Rat der Stadt Hildesheim 1542 das luth. Bekenntnis angenommen hatte, wurde St. Jakobi ev. Pfarrkirche. Als erste luth. Prediger lassen sich P. Johannes Heitmann (amt. um 1542) und P. Theodoricus Holthusen (amt. 1542–1564) nachweisen. Während des Dreißigjährigen Krieges war P. Heinrich Oldecop (amt. 1630–1661) Pfarrer der Jakobikirche und musste sein Amt 1632 niederlegen: In den Jahren 1632 bis 1634 feierten Mönche des Sülteklosters wieder kath. Messen in der Jakobikirche. Ende des 17. Jh. erhielt die Kirche einen neuen Kanzelaltar, den der Hildesheimer Bildhauer Daniel Bartels gestaltet hatte.9

Kirche, Blick zum Altar, um 1955

Kirche, Blick zum Altar, um 1955

Simonievorwürfe gegen den 1742 zum Pfarrer der Jacobigemeinde gewählten Studenten Dörrien, Sohn einer alteingesessenen Hildesheimer Familie, führten zu langwierigen Auseinandersetzungen in der Stadt und auch die Gutachten der juristischen Fakultäten der Universitäten in Göttingen und Halle konnten die Situation nicht klären, da sie zu unterschiedlichen Einschätzungen kamen.10 Nach einem dritten Gutachten, eingeholt bei den Jenaer Juristen kam es schließlich zu einer Neuwahl, die der Verfasser der Hildesheimischen Kirchen- und Reformationshistorie, P. Joachim Barward Lauenstein (amt. 1745–1746) für sich entscheiden konnten. Nach seiner Einschätzung waren die „Einkünffte dieses Pfarr-Dienstes sehr gut, und denen Einkünfften eines Pfarr-Herrn zu S. Andreae bey nahe gleich“.11 Nachdem der Turm der Kirche 1750 ausgebrannt war, ließ P. Johann Andreas Liekefett (amt. 1747–1761) zwischen 1750 und 1757 den Turm wiederaufbauen und auch den Kircheninnenraum erneuern: Der Stukkateur Raphael Jordan gestaltete eine neue Decke und Johann Friedrich Ziesenis (Hannover) lieferte 1753 eine neue Taufe (lebensgroße Holzskulptur Johannes des Täufers mit muschelförmiger Schale, seit 1952 in Hildesheim, St. Lamberti). Anfang des 19. Jh. und 1913 ließ die Gemeinde ihre Kirche neu ausmalen.
Mit P. Johannes Hops (amt. 1916–1941) und P. Wilhelm Thomas (amt. 1943–1947) standen der Gemeinde während der NS-Zeit zwei Mitglieder der BK vor. P. Thomas gehörte zu der in den 1920er Jahren entstandenen Berneuchener Bewegung und zählte 1931 auch zu den Gründungsmitgliedern der Ev. Michaelsbruderschaft. Die Kirchenvorstandswahl im Juli 1933 gewann jedoch mit gut 97 Prozent der Stimmen die Liste der DC.12 Die Gemeindestruktur skizzierte P. Hops 1938 knapp: „Unsere Gemeinde besteht aus Kaufleuten und Arbeitern. Der Mittelstand fehlt fast ganz.“13 Die Bemühungen der Hildesheimer DC, „die Jakobikirche als ihre Kirche“14 zu erhalten, scheiterten. Der Bomberangriff auf Hildesheim am 22. März 1945 zerstörte auch St. Jakobi, lediglich die Außenwände des Kirchengebäudes blieben stehen. Allerdings begann der Wiederaufbau schnell und bereits am 4. Advent 1949 konnte Lbf. Hanns Lilje St. Jakobi als erste luth. Kirche Hildesheims wieder einweihen.
Eine eigene Jakobigemeinde bestand seinerzeit nicht mehr. Zum 1. Dezember 1947 hatte das Landeskirchenamt die Gemeinden St. Andreas und St. Jakobi zur KG St. Andreas vereinigt.15 Mit der Einweihung der wiederaufgebauten St. Andreaskirche endete 1965 die Nutzung St. Jakobis als Pfarrkirche. Bis 1975 diente sie als Garnisonkirche und danach war sie bis Ende 1985 an die ref. Gemeinde verpachtet. Von 1991 bis 2000 betreuten drei Schwestern der Communität vom Casteller Ring die „Kirche am Wege“, im Jahr 2000 war sie Expo-Kirche und bis 2012 Citykirche. 2014 wurde St. Jakobi als Literaturhaus und Kulturkirche neu eröffnet.

Aufsichtsbezirk

Geistliches Ministerium der Hildesheimer Pfarrer unter Leitung des Stadtsup. 1924 KK Hildesheim.

Patronat

Bis zur Reformation der Archidiakon der Altstadt (Dekan des St. Andreasstifts). Dann der Rat der Stadt unter Mitwirkung der Provisoren bzw. der Gemeinde.

Kirchenbau
Kirche, Grundriss, 1911

Kirche, Grundriss, 1911

Einschiffiger, leicht trapezförmiger Sandsteinquaderbau mit eingezogenem, trapezförmigen Ostchor; Satteldach, Chor mit Walmdach, erbaut Anfang 16. Jh. (Bauinschrift an Strebepfeiler Südseite 1503, an Schlussstein Turmhalle 1510). Strebepfeiler und schlanke, hohe, spitzbogige Fenster an Langhaus und Chor. Im Innern flache Holzdecke (bis 1945 flaches Spiegelgewölbe, 18. Jh.) und Westempore mit kurzen Seitenflügeln, darüber Orgelempore. Nach der Zerstörung am 22. März 1945 als erste (kleinste) Kirche in Hildesheim wieder aufgebaut. 1967 renoviert. 1988 Innenrenovierung. Dach- und Außensanierung 1990/91.

Turm

Viergeschossiger Westturm mit flachem Zeltdach (bis 1945 hoher, schlanker Turmhelm). Spitzbogige, dreibahnige Schallöffnungen im Glockengeschoss, zweibahnige Spitzbogenfenster im Geschoss darunter; Figuren an Westseite (siehe Ausstattung). Turmhalle mit Kreuzrippengwölbe, im figürlichen Schlussstein auf 1510 datiert; Turm 1514 vollendet. 1750 nach Blitzeinschlag ausgebrannt und erneuert. Turmsanierung 1989.

Vorgängerbau

Kapelle, 1204 genannt.

Ausstattung

Schlichter Steinaltar mit Altarkreuz. – Barockausstattung, u. a. reich verzierter Kanzelaltar (1695–97, Daniel Bartels, Hildesheim), im Zweiten Weltkrieg zerstört. – An der Südseite außen ein Kreuzigungsrelief (1546). – An der Westseite des Turms außen vier Skulpturen: Jakobus (unten, 16. Jh.); in der Mitte Petrus und Paulus sowie oben segnender Christus (1900 angebracht, Friedrich Küsthardt, Hildesheim), Madonnenfigur (16. Jh.), ursprünglich in oberster Nische, jetzt im Roemer- und Pelizaeus-Museum. – Buntglasfenster mit Auferstehungsszene anstatt Altarbild (1954, Kurt Sohns, Hannover). Zwei Buntglasfenster rechts und links des Altarraums mit links Kain und Abel sowie Abraham und Isaak und rechts Sündenfall sowie Taufe Christi (1956, Kurt Sohns, Hannover).

Kirche, Blick zur Orgel, nach 1954 (1954-1960 Orgelneubau in drei Bauabschnitten)

Kirche, Blick zur Orgel, nach 1954

Orgel

Erste Orgel 1551 nachweisbar.16 Neues Instrument, erbaut vor 1690, ein Manual, mechanische Traktur; um 1752 abgebaut. 1752–57 Neubau unter Verwendung von 16 Reg. der alten Orgel, ausgeführt von Johann Conrad Müller (Hildesheim), 26 II/P, mechanische Traktur, Schleifladen. 1841 Instandsetzung und Dispositionsänderung durch Wilhelm Stahlhuth (Hildesheim), 27 II/P. Reparatur und Dispositionsänderung 1855 durch Heinrich Schaper (Hildesheim), 26 II/P. Umbau und Dispositionsänderung 1880-81 durch August Schaper, 24 II/P; 1882: 26 II/P; 1927: 28 II/P. 1927 Neubau des Werks hinter dem alten Prospekt von Müller durch P. Furtwängler & Hammer (Hannover), 35 (davon eine Transmission) II/P, elektrisch-pneumatische Traktur, Taschenladen (Opus 1022). Die Orgel wurde am 22. März 1945 zerstört. 1954–1960 Neubau in drei Bauabschnitten, ausgeführt von Paul Ott (Göttingen), 37 III/P, mechanische Traktur, Schleifladen, aufgestellt auf der oberen Empore an der Westseite der Kirche. 1998 Instandsetzung und eine Dispositionsänderung durch Christoph Grefe (Ilsede).

Geläut

Eine LG (Bronze, Gj. 1749, Christoph August Becker, Hildesheim), ehemalige SG, 1988 von St. Andreas erhalten. – Früherer Bestand: 1478 eine Betglocke erwähnt. Ein Heinrich Vonnhagen aus den Niederlanden soll der Kirche im 16. Jh. zwei große LG gestiftet haben, die zuvor nur kleine LG besaß.17 Zwei LG, I: Inschrift u. a. „Ich hatte meinen Schall durch einen Bruch verlohren, Nachdem ich lange Jahr die Sünder aufgeweckt, Jetzt, da ich wiederum gleich Phoenix neu gebohren, Ist dies mein einger Wunsch, zum Leser hingestreckt, Daß mein S. Jacobs-Klang viel Menschen möge leiten, Zu Hören Gottes Wort und dessen süsse Lehr, Ja das zum Sterben sich ein jeder mög bereiten, und daß des Höchsten Gnad Feur und Noth stets abkher“; II: Inschrift u. a. „Lasset euch meinen Schall, ihr Menschen-Kinder leiten, Zu hören Gottes Wort, das euch recht kann bereiten, Zu kommen an den Ort, wo Gottes Wort stets klingt, Und aller Engel Schaar, mit euch das heilig singt“. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs leihweise eine LG f’ (Bronze, Gj. 1655, Jakob Corbe) von Hildesheim, St. Lamberti, 1950 zurückgegeben. Ab 1950 eine LG h, Inschriften u. a. „Wir haben den Messias gefunden“ und „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“, Bilder: St. Andreas und Martin Luther (Bronze, Gj. 1885, Firma Radler, Hildesheim), von St. Andreas übernommen. Glocke hatte 1945 beim Brand der Andreaskirche Schaden genommen, 1960 sprach sich der Glockenrevisor daher dafür aus, sie abzunehmen; überdies sei die Glocke für den Turm der Jakobikirche zu schwer.18

Liste der Pastoren (bis 1940)

1542 (?) Johannes Heitmann. – 1542–1564 Theodorikus (Dietrich) Holthusen. – 1564–1566 Heinrich Nordmeier. – 1567–1568 Henning Steinmann. – 1568–1585 Magister Jonas Gans. – 1586–1598 Magister Heinrich Temme. – 1591–1602 Magister Georg Schröter. – 1602–1607 Dr. Johannes a Fuchten (van Fuchte). – 1607–1629 Magister Peter Ernst Mebesius. – 1630–1661 Magister Heinrich Oldecop. – 1662–1666 Magister Joachim Calvör. – 1667–1685 Magister Konrad Rüdemann. – 1686–1726 Franz Theodor Bockelmann. – 1724–1744 Magister Karl Adolph Jantzen. – 1745–1746 Joachim Barward Lauenstein. – 1747–1761 Johann Andreas Lieckefett. – 1761–1763 Johann Konrad Schwartzkopf. – 1764–1773 Hermann Erich Winckler. – 1773–1791 Friedrich Georg Ludwig Schultze. – 1791–1819 Heinrich August Knorre. – 1820–1853 Dr. phil. Johann Heinrich Christian Keil. – 1854–1865 Heinrich Wilhelm Dammers. – 1865–1883 Heinrich Rudolf Wilhelm Hermann Lauenstein. – 1883–1896 Georg Friedrich Hermann Bockhorn. – 1896–1915 August Friedrich Wilhelm Eugen Pellens. – 1916– Johannes Wilhelm Martin Hops.
Angaben nach: Meyer, Pastoren I, S. 507–508

Landeskirchliches Archiv Hannover (LkAH)

A 5 Nr. 523 (Spec. Landeskons.); A 6 Nr. 3641–3647 (Pfarrbestallungsakten).

Kirchenbücher

Taufen: 1654–1947 (Lücken: 1661–1665, 1673, 1674)
Trauungen: 1677–1947
Begräbnisse: 1756–1929
Kommunikanten: 1803–1865 (Lücken: 1807–1853)
Konfirmationen: 1772–1865 (Lücken: 1800–1815)

Nach dem 1.2.1947 in den Kirchenbüchern von Hildesheim, St. Andreas und Hildesheim, Martin-Luther.

Hildesheim – St. Georgii

Taufen: 1634–1809
Trauungen: 1634–1808
Begräbnisse: 1776–1808

Totenlisten 1594–1698 (Lücken: 1605, 1614, 1628–1633, 1646–1648, 1651), später in den Kirchenbüchern von St. Jacobi.

Literatur

A: Arndt, Deutsche Christen; Aye/Kronenberg, Taufbecken, S. 135 f., Nr. 151; Dehio, Bremen/Niedersachsen, S. 716; Lauenstein, Kirchen- und Reformationshistorie, bes. V; Mahr, Orgelbauer Müller, S. 262–270; Meyer, Pastoren I, S. 507–508; Meyer-Roscher, Kanzelaltäre, S. 28 f.; Pape, Organographia Historica Hildesiensis, S. 181–200; Twachtmann-Schlichter, Stadt Hildesheim, bes. S. 122–123; Zeller, KD Hildesheim kirchliche Bauten, S. 293–296.
B: Fritz Garbe: Die Hauptpfarrkirche St. Andreas zu Hildesheim im Wandel der Zeit, Hildesheim 1965, bes. S. 116–127; Melsene Meyer und Lisel Müller: St. Jakobi zu Hildesheim, in: Hildesheimer Heimat-Kalender 1999, S. 43–54; Herbert Reyer: Die Jacobikirche in Hildesheim. Von der ersten Erwähnung bis zum 16. Jahrhundert, in: Hildesheimer Kalender 2009, S. 87–90.

GND

6134035-2, Kirche St. Jacobi (Hildesheim).


Fußnoten

  1. UB HS Hildesheim I, Nr. 590.
  2. RG Online, RG II 09055, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/2/9055 (17.10.2017).
  3. RG Online, RG VII 02688, http://rg-online.dhi-roma.it/RG/7/2688 (17.10.2017).
  4. UB S Hildesheim IV, Nr. 451.
  5. Garbe, S. 116 f. (ohne Belege).
  6. Reyer, S. 87 f.; UB S Hildesheim VI, S. 266 (1424); ebd., S. 344 (1426).
  7. Lauenstein, Kirchen- und Reformationshistorie V, S. 4.
  8. Reyer, S. 90. Die Kupfertafel ist verloren.
  9. 1945 zerstört, Beschreibung und Abbildung: Zeller, KD Hildesheim kirchliche Bauten, S. 294 f.
  10. Dürr, Politische Kultur, S. 213 ff.
  11. Lauenstein, Kirchen- und Reformationshistorie V, S. 9.
  12. Arndt, Deutsche Christen, S. 112.
  13. LkAH, L 5h, unverz., Hildesheim, Visitation 1938.
  14. LkAH, L 5h, unverz., Hildesheim, Visitation 1938.
  15. KABl. 1947, S.70 f.
  16. Pape, Organographia Historica Hildesiensis, S. 180.
  17. Lauenstein, Kirchen- und Reformationshistorie V, S. 3 f. (ohne Belege).
  18. LkAH, L 5h, unverz., St. Andreas Hildesheim, Visitation 1960.